Wladimir Samoilowitsch Gall

30. April 2020

 

Ich beobachte das Erstarken des Neofaschimus, Antisemitismus und Rassismus in Deutschland mit großer Besorgnis; so wie im Übrigen auch in Russland und vielen Ländern des ehemaligen sog. ‚Ostblocks‘. Es gibt viele Jugendliche, die sich dem entgegenstellen, die aus unseren Fehlern und Lehren lernt und dann genauso erfolgreich siegen wird, wie wir damals.

Wladimir Gall Moskau-Spandau-HalleSeit 2001 war der „Parlamentär von Spandau“ und der „Kulturoffizier von Halle“ bis zu seinem Tod am 9. September 2011 immer wieder Gast auf unserem fest am 9. Mai.
 
Wladimir wurde am 20. Januar 1919 in der Stadt Charkow (heute ukrainisch Charkiw – d. Red.) geboren. 1936 machte er das Abitur und nahm ein Studium an der Moskauer Hochschule für Geschichte, Philosophie und Literatur (Fachrichtung Weltliteratur und Deutsch) auf. Sein Lieblingslehrer war Lew Kopelew.
 
Am 22. Juni 1941, dem Tag des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion, absolvierte er die Hochschule und legte sein letztes Staatsexamen ab. Er meldete sich sofort freiwillig zur Roten Armee; später hatte er den Dienstgrad eines Hauptmanns.
 
Wolodja, wie er von seinen Freund*innen genannt wurde, gehörte einem Sondertrupp der Armee an, dessen Aufgabe darin bestand, die deutschen Soldaten über den Krieg, den Faschismus und die sowjetische Kriegsgefangenschaft aufzuklären und sie zur Aufgabe zu bringen. Jeden Abend fuhren sie mit einem Lautsprecherwagen an die sog. Hauptkampflinie und wandten sich über das Mikrofon direkt an die Wehrmachtsangehörigen.
 
Der Höhepunkt seiner Tätigkeit im Sondertrupp war der Parlamentärgang in die Zitadelle Spandau am 1. Mai 1945. Ausführlich hat er alles in seinem Buch „Moskau – Spandau – Halle. Etappen eines Lebensweges“ beschrieben. Dieser Einsatz war nicht nur „filmreif“. Der DDR-Film aus dem Jahr 1967 „Ich war neunzehn“ von seinem Freund Konrad Wolf, machte diese Episode einem breiten Publikum bekannt.
 
Nach dem Sieg war Wolodja in den ersten und schwersten Nachkriegsjahren Leiter der Kulturabteilung der SMAD (Sowjetische Militäradministration) in Sachsen-Anhalt.
 

  • Interview mit Wladimir Gall aus dem Jahr 2013
  • Nachruf Wladimir Gall