Hanna Podymachina

1. Mai 2020

 

Für mich als gerade 21-Jährige, ergab sich durch das Kriegsende die Möglichkeit, den Teil meiner Familie, der bei der Emigration 1934 in Deutschland verblieben war, wiederzusehen und am Wiederaufbau eines friedlichen Deutschlands teilzunehmen.

Hanna Podymachina, geborene Bernstein (ihr Pseudonym in der Emigration war Bauer) war 2011 zu Gast bei unserem Fest zum Tag des Sieges. Sie wurde am 26. Februar 1924 geboren und wuchs in Berlin in einem jüdischen und kommunistischen Elternhaus auf. Ihr Vater wurde im Februar 1933 festgenommen und im KZ Sonnenburg inhaftiert. Nach seiner Entlassung emigrierte die Familie im Juni 1934 in die Sowjetunion.
 
Nach ihrem Abitur trat Hanna Bernstein 1942 in die Roten Armee ein. In den Reihen der 3. Ukrainischen Front kämpfte sie im Rang eines Leutnants ab Herbst 1942 vor der Einkesselung der Paulus-Truppen bei Stalingrad und als Oberleutnant ab Sommer 1943 bis April 1945 bei der Einnahme von Wien. Ihr Weg führte sie über das Don-Becken, die Ukraine, die Moldauische Republik, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Ungarn bis nach Wien.
 
Zu ihren Aufgabengebieten gehörte das Verfassen von Flugblättern, Dolmetschen bei Verhören von Überläufern oder Gefangenen und die Tätigkeit als Sprecherin von Sendungen für die gegnerischen Truppen. Dabei wurde von der vordersten Frontlinie aus einem Lautsprecherwagen und im Sommer 1943 auch aus einem zweisitzigen Doppeldeckerflugzeug mit Lautsprecheranlage gesendet, mit dem sie nachts über feindlichem Gebiet kreiste. Für den Flugzeugeinsatz wurde sie mit der Tapferkeitsmedaille an der Front ausgezeichnet.
 
Als Mitarbeiterin in der sowjetischen Militäradministration in Deutschland arbeitete sie von 1945 bis 1949 unter Oberst Tulpanow mit bei der Umgestaltung und Demokratisierung Deutschlands.1949 ging sie mit ihrem Ehemann, dem sowjetischen Hauptmann Semjon Podymachin zurück nach Moskau. Von 1953 bis 1960 war sie Chefdolmetscherin an der DDR-Botschaft. 1960 siedelte sie mit ihrer Familie nach Berlin über.
 
In der DDR arbeitete sie bis ins Rentenalter als Dolmetscherin und engagierte sich in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen (VVNBdA) sowie im Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Antihitlerkoalition und der Bewegung »Freies Deutschland« (DRAFD).
 
Hanna Podymachina starb am 16. April 2013.
 

  • Interview aus dem Jahr 2008: Hanna Podymachina über ihren Einsatz als Angehörige der Roten Armee an der Front von Stalingrad
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