Wer die Hoffnung verlor – verlor das Leben

29. März 2013

Grußwort von Władysław Kożdoń

Im Mai wird die ganze Welt den 67. Jahrestag der Beendigung des blutigen Schlachtgewühls begehen, die der Zweite Weltkrieg mit sich brachte. Für die einen beginnt der Frieden mit dem 8. Mai, für die anderen am 9. Mai.

 

Ich habe den gesamten Zweiten Weltkrieg im Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Der wichtigste Antrieb, der das Überleben dieser Hölle ermöglichte, war Hoffnung. Wer jegliche Hoffnung verlor, verlor auch bald sein Leben. Unsere Hoffnungen gründeten darauf, dass Hitler diesen Krieg verlieren wird. Die ersten Kriegsjahre schienen dem zu widersprechen. Die Wehrmacht erlebte eine Serie von Siegen. Die sowjetische Armee musste anfangs schmerzhafte Niederlagen einstecken. Erst nach Stalingrad erhielten unsere Hoffnungen neue Nahrung. Mit Spannung beobachteten wir den Verlauf der Frontlinie, die systematisch nach Westen verschoben wurde. Unabhängig von Nationalität oder politischer Einstellung vereinigten sich die Gefühle aller Häftlinge – in dem Bewusstsein, dass junge Menschen sterben, um uns Freiheit zu bringen – mit den Soldaten der sowjetischen Armee. Dieses Gefühl der Sympathie und Dankbarkeit wird für immer lebendig bleiben, auch wenn das Konzentrationslager Buchenwald durch Einheiten der US-Armee befreit wurde.

 

Ich muss an dieser Stelle hinzufügen, dass die Situation an der Front die Stimmung unter den Häftlingen so stark verbesserte, dass auf Initiative der deutschen Kommunisten ein konspiratives Internationales Lagerkomitee gegründet wurde und dieses wiederum ernsthafte Überlegungen anstellte, das Lager durch die Häftlinge selbst zu befreien. Zu diesem Zweck wurden Kampfgruppen gebildet, die eine aktive Verteidigung vorbereiteten, falls diese notwendig werden sollte. Es gelang sogar einige Waffen ins Lager zu schmuggeln und eine Funk-Sender-Station zu bauen. Zum Glück gelang die Befreiung des Lagers am 11. April 1945 ohne Blutvergießen. Die Wachmannschaften flüchteten in Panik vor den nahenden US-amerikanischen Soldaten. Die Kampfgruppen der Häftlinge beschränkten sich auf das Aufspüren geflüchteter SS-Männer, die sich in den Wäldern versteckt hielten und sorgten für die Sicherheit der ehemaligen Häftlinge.

 

Meine Erlebnisse erlauben mir die Unzufriedenheit der sowjetischen Seite nachzuvollziehen, als die westlichen Alliierten einen Kapitulationsakt, ohne den wichtigsten Partner dieser Allianz, unterzeichneten. Einen Partner der die meisten Opfer zu beklagen hatte und die größte Rolle an der Zerschlagung der Hitlerschen Verbrecher spielte. Der Zweite Weltkrieg wurde für mich deshalb tatsächlich erst am 9. Mai 1945 beendet.

 

Władysław Kożdoń war von September 1939 bis April 1945 Häftling des KZ Buchenwald und Mitglied des Lager-Untergrunds. Am 13. April 1945, zwei Tage nach der Selbstbefreiung des Lagers durch Häftlinge und der Ankunft US-amerikanischer Truppen, schwor er zusammen mit anderen Häftlingen, dass „die Vernichtung des Nazismus unsere Losung und der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit unser Ziel ist“. Seine Erlebnisse schilderte er in dem Buch „‘–ich kann dich nicht vergessen‘: Erinnerungen an Buchenwald“, Wallstein Verlag 2007. Władysław Kożdoń lebt heute in Wrocław (Polen).