Interview mit Petr Alaev
25. April 2016
Wir freuen uns sehr, die Veteranen Petr Wassiljewitsch Alaev aus Riga und Alexander Danilowitsch Bytschok am 9. Mai 2016 auf unserem Fest im Treptower Park begrüßen zu dürfen. Mit Petr Alaev, Teilnehmer der „Berliner Operation“ und ist Träger der Medaille „Für die Einnahme Berlins“ und des Ordens „Roter Stern“, konnten wir dieses Interview im April 2016 führen.
Wie sind Sie zur Roten Armee gekommen?
Ich wurde am 26. Juni 1922 in der russischen Region Altai (das ist in Südsibirien) geboren. Nach der Schule wollte ich Lehrer werden und begann ein Studium an einer pädagogischen Fachschule. Noch während meiner Schulzeit trat ich in einen Luftsportklub ein, wo ich abends immer trainierte und mit der Zeit lernte, eine U 2 – eine recht einfache Maschine – zu fliegen. Ich hatte damals keine Ahnung, wie nützlich diese Fähigkeiten für mich im Krieg sein würden. Als ich mit meiner Ausbildung im Luftsportklub fast fertig war, kamen Vertreter der Militärfliegerschule Omsk zu uns und boten mir an, bei ihnen eine Ausbildung aufzunehmen. So wechselte ich vom dritten Studienjahr an der pädagogischen Fachschule an eine militärische Ausbildungseinrichtung. Und so bin ich zur Roten Armee gekommen.
Wann ist Ihnen bewusst geworden, dass der deutsche Faschismus eine heraufziehende Gefahr bedeutet, und wann haben Sie erkannt, dass der deutsche Faschismus eine direkte Bedrohung für die Sowjetunion ist?
Dass die internationale Lage schwierig ist, wusste ich schon während meines Lehrerstudiums. Und ich weiß noch, als ich dann an der Militärfliegerschule war, da sagte unser Kommissar immer: „Wir haben zwar einen Nichtangriffspakt mit Deutschland, aber wir sollten auf alles gefasst sein“.
Wie war Ihr Leben an der Front? Und was haben Sie in der Roten Armee während der Berliner Operation gemacht?
Wegen des Krieges wurde das Lehrprogramm an der Fliegerschule gekürzt, darum war ich schon im Februar 1942 mit meiner Ausbildung fertig.
1942 bin ich nicht an die Front gekommen, sondern wurde in den Fernen Osten versetzt. 1944 wurde ich auf den Sturzkampfbomber Pe-2 umgeschult. Nach Abschluss der Umschulung wurde mein Geschwader zur 1. Weißrussischen Front verlegt. Den ersten Kampfeinsatz hatten wir in der Stoßrichtung Warschau. Nach der Befreiung von Polen bin ich dann auch über deutschem Gebiet geflogen. An der Berliner Operation habe ich direkt und unmittelbar teilgenommen.
Wie ist es Ihrer Familie während der furchtbaren Kriegsjahre ergangen?
Während des Krieges hatte es meine Familie alles andere als leicht. Im Hinterland lebte man nach der Devise „Alles für die Front, alles für den Sieg“, dementsprechend war das Lebensniveau stark gesunken. Mein Vater ist früh gestorben, meine Mutter musste also uns fünf Kinder alleine erziehen. Ich habe immer meinen ganzen Wehrsold an meine Mutter geschickt.
In welcher Einheit haben Sie während der Berliner Operation gekämpft?
Ich war beim Bombergeschwader 540, als Kommandeur einer Flugzeugbesatzung und Unterleutnant.
Während der Berliner Operation habe ich 15 Kampfeinsätze geflogen. Nach der Eroberung von Berlin wurde unsere Einheit umbenannt und erhielt den Ehrennamen Bombergeschwader 540 „Berlin“.
Ich weiß, dass Nikolai Bersarin Stadtkommandant von Berlin war. Ich habe ihn persönlich nie getroffen, aber ich kann sagen, was uns verbindet – die Vorfahren von Nikolai Bersarin stammen aus Lettland, wo ich jetzt lebe.
Wie haben Sie den 9. Mai erlebt?
Am 8. und 9. Mai befand ich mich auf einem Feldflugplatz im Gebiet von Landsberg, ungefähr 100 Kilometer vor Berlin.
Am 8. Mai befanden sich die Besatzungen und Flugzeuge in höchster Bereitschaft, die PE-2-Bomber waren in voller Kampfbereitschaft startklar. Der Personalbestand des Luftwaffenregiments war vollzählig auf dem Flugplatz und wartete auf einen Befehl zum Start. Aber der Befehl zum Abflug kam nicht.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai hörten wir Gefechtslärm, was uns beunruhigte. Aber wie sich herausstellte, wurde den Wachposten auf diese Weise mitgeteilt, dass der Krieg vorbei war. Man improvisierte sozusagen einen Salut. Danach wurde dann schon offiziell über das Radio über das Kriegsende informiert. Am Morgen des 9. Mai musste das gesamte Regiment antreten, und der Kommandeur der 183. Bomberdivision, Oberst Sitkin, gratulierte allen Soldaten zum TAG DES SIEGES! Danach gab es ein festliches Mittagessen, die Frontration 100 Gramm (Vodka) auf den SIEG und ein großes künstlerisches Laienkonzert.
Wie ging Ihr Leben nach dem 9. Mai 1945 weiter?
Nach dem Krieg habe ich an vielen unterschiedlichen Stellen gedient. Unser Bombergeschwader 540 „Berlin“ verblieb in der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. 1949 wurde ich in das Baltikum versetzt. 1957 ging es auf die Insel Sachalin, also fast 10.000 Kilometer östlich von Berlin. Von 1960 bis 1967 war ich wieder in Deutschland. Ich habe meine Dienstzeit 1971 in Riga als stellvertretender Stabschef eines Fliegergeschwaders beendet. Nach der Entlassung aus den Streitkräften habe ich mir endlich den Wusch meiner Jugend erfüllt und noch 17 Jahre als Lehrer gearbeitet.
Wie ergeht es den Kriegsveteranen im heutigen Lettland?
Dem Staat sind die Kriegsveteranen egal, er unterstützt sie überhaupt nicht. Kämpfer gegen die Nazis haben in Lettland keinerlei Status. Ich darf nicht einmal meine Uniform und meine Auszeichnungen tragen.
Was halten Sie von dem jährlichen Aufmarsch zu Ehren der lettischen Waffen-SS-Legionäre?
Weniger als nichts.
Wussten Sie, dass VVN-BdA-Mitglieder (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) nach Riga gereist waren, um sich an den Protesten gegen diesen Aufmarsch zu beteiligen? War Ihnen bekannt, dass man ihnen die Einreise verboten hat und dass sie von den lettischen Behörden ausgewiesen wurden?
Am 16. März wusste ich es nicht, ich habe es dann später aus der Zeitung erfahren.
Was würden Sie der Jugend für das weitere Leben mit auf den Weg geben wollen?
Die Menschen, die ihr Leben im Kampf gegen den Nazismus geopfert haben, die für die Freiheit der Menschheit gestorben sind, müssen in ehrenvollem Gedenken behalten werden.
Und: Der Nazismus darf nie wieder auferstehen!