Der polnische Beitrag im Kampf gegen den Faschismus

2. März 2013

von Kamil Majchrzak

Die erste Front des Zweiten Weltkrieges wurde am 1. September 1939 in Polen eröffnet. Polnische Kommunisten nahmen den Kampf gegen den Faschismus jedoch bereits drei Jahre zuvor in Spanien auf. Mit anderen Freiwilligen aus 53 Ländern kämpften sie in den Reihen der Republikanischen Armee gegen den gleichen Feind. Der Kommandeur der 35. Internationalen Division General Karol Świerczewski („Walter“), der von Ernest Hemingway in seinem Buch „Wem die Stunde schlägt“ als General Golz verewigt wurde, setzte später seinen Kampf als Befehlshaber der 2. Polnischen Armee in der Schlacht um Bautzen fort. Diese Operation war Teil der sog. Schlacht um Berlin.

Polnische Soldatinnen und Soldaten, Untergrundkämpfer und Partisanen, Aufständische und geheime Kuriere kämpften seit dem Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen bis zur Befreiung am 9. Mai 1945 insgesamt 2079 Tage lang. Die unterschiedlichen und vielfältigen Organisationsformen des antifaschistischen Widerstands in Polen und insbesondere die Bedeutung der 1. und 2. Polnischen Armee, die Seite an Seite mit der Roten Armee kämpfte werden heute in Polen kaum gewürdigt. Die Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 wird in den Schulbüchern nicht als Befreiung, sondern Beginn einer neuen Besatzungsperiode gedeutet. Nicht der Kampf gegen den deutschen Faschismus und Nationalismus wird hervorgehoben, sondern der eigene Nationalismus verklärt.

Der Hintergrund dafür liegt vor allem darin, dass der eher schwache kommunistische Widerstand im besetzten Polen und der weitaus bedeutsame Beitrag, der an der Ostfront kämpfenden polnischen Soldatinnen und Soldaten, die nicht nur bereit waren im Kampf gegen den deutschen Besatzer ihr Leben zu opfern, sondern dieser Kampf mit dem Engagement für radikale gesellschafts-politische Reformen verbunden wurde. Obwohl die einfachen Soldaten der Polnischen Armee, die in der Sowjetunion formiert wurde keine Kommunisten waren und sie zu den ersten Opfern stalinistischer Deportationen nach Sibirien durch den NKWD 1940-1941 gehörten, steht ihre Motivation im Widerspruch zur aktuellen Rolle Polens als kapitalistische Peripherie Europas und Exerzierplatz des Neoliberalismus. So erklärte Hania Szelewicz, die nach Irkutsk verbannt wurde und  in den Reihen der 2. Division kämpfte, dass der Weg zurück nach Polen aus den Gulags nur über den Eintritt in die Armee möglich war. Zugleich unterstrich sie während ihres Besuches in Berlin, dass die meisten Polen in den Reihen der 1. Polnischen Armee an soziale Gerechtigkeit glaubten und die Hoffnung verbanden ein gerechteres Polen aufzubauen als es vor dem Krieg war. Die Erinnerung an den Kampf der 1.und 2. Armee wird deshalb bewusst aus der Öffentlichkeit verdrängt, verunglimpft, verzerrt und karikiert.

So wurde in den vergangen zwanzig Jahren nicht nur der Beitrag der polnischen Soldaten der 1. Armee bei der Unterstützung des Warschauer Aufstands 1944 geflissentlich in sein Gegenteil verkehrt. Auch die Opferbereitschaft bei der Durchbrechung des Pommernwalls oder der polnische Beitrag bei Sturm auf Berlin wird verschwiegen und die Rolle der polnischen Soldatinnen und Soldaten bewusst geschmälert.

Um die Relationen zu verstehen welche den Beitrag der Sowjetunion an der Ostfront bei der Zerschlagung des Faschismus auszeichneten muss hervorgehoben werden, dass die Rote Armee 506 deutsche Divisionen zertrümmert hat und weitere 100 Divisionen von Satellitenstaaten, die mit dem Hitler-Deutschland verbündet waren. Dagegen wurden bei den Kämpfen in West-Europa, Nord-Afrika und Italien insgesamt lediglich 176 deutsche Divisionen zerstört.

Die 1. und 2. polnische Armee bei der Berliner Operation

Die beiden polnischen Armeen leisteten einen wichtigen Kampfbeitrag in der finalen Schlacht des Zweiten Weltkrieges. Die Schlacht um Berlin, umfasst dabei auch die Kämpfe der 2. polnischen Armee (innerhalb der Ersten Ukrainischen Front unter Marschall Konew) während der Lausitzer Operation als auch die Straßenkämpfe der 1. Armee (innerhalb der Ersten Belorussischen Front unter Marschall Schukow) in Berlin selbst. Die Mehrheit der Kräfte beider polnischen Armeen, der Fliegerstaffeln und des Panzerkorps sollten dabei eigentlich nur eine Hilfsfunktion erfüllen um das Haupt-Schlachtfeld zu isolieren. Trotz erheblicher Verluste kam ihrer Aufgabe jedoch eine solche Bedeutung zu, dass sie auf eine Ebene mit den sowjetischen Hauptsturmkräften der Schlacht gestellt werden. In der Nähe von Plötzensee am Hohenzollernkanal verhinderte die 1. polnische Armee den Versuch Gen. Steiners vom Norden her in die Stadt durchzubrechen. Als sich am 24. April 1945 der Ring um Berlin schloss, kämpften polnische Truppen bei Kremmen, Tietzen, Birkenwerder, Oranienburg und Nauen. Bei Bautzen beteiligte sich dagegen die 2. polnische Armee an der Zerschlagung der von den Sudeten her Berlin zu Hilfe eilenden Heeresgruppe „Mitte“ von Generalfeldmarschall Schörner. An den Kämpfen um Berlin nahmen insgesamt 170 000 polnische Soldaten teil, 12 000 von ihnen kämpften in der Innenstadt.

In den Straßenschlachten in Berlin nahm die 1. Mörser-Brigade, die 1. Haubitzen-Brigade, das 6. Ponton-Bataillon sowie die relativ spät, weil erst am 30. April in die Stadt hinzugerufene 1. Infanterie-Division Tadeusz Kościuszko als polnische Streitkräfte der 1. Armee teil. Polnische Einheiten kämpften vor allem in Charlottenburg, Moabit und Tiergarten. Besonders viele Opfer forderten die Kämpfe am 1. Mai um die Charlottenburger Chaussee (die heutige Straße des 17. Juni). Unter dem Oberkommando der 2. sowjetischen Garde-Armee von Gen. Bogdanow übernahmen die Polen Aufgaben, die nicht von Panzereinheiten in den Bedingungen eines Häuserkampfes erfüllt werden konnten. Die Division befreite drei zentrale Objekte des Sektors „Zitadelle“ im Tiergarten (den Karl-August-Platz, die Technische Hochschule sowie Gefechtspunkte im Tiergarten und der S-Bhf. Tiergarten selbst). Die Einnahme dieses von Gen. Weidling als „neuralgischen Punktes“ bezeichneten Kampfgebietes durch das 2. polnischen Regiment, der von Nord-Westen kam sowie des Sturms der 1. Sowjetischen Panzer-Armee und 8. Sowjetischen Garde-Armee von Süd-Osten waren entscheidend für die Aufnahme der Kapitulationsgespräche durch Gen. Weidling. Es ist bezeichnend, dass die Liquidation des letzten Widerstandspunktes der Nazis in der Nähe des Reichstages von Offizieren der 120. sowjetischen Panzer-Garde sowie dem 3. polnischen Infanterie- und dem 1. Polnischen Artillerie-Regiment, die beide Teil der 1. Polnischen Kościuszko-Division waren, vor dem Brandenburger Tor unterzeichnet wurde. Die Polnische Fahne wurde auf der Siegessäule gehisst, dem Symbol des übermütigen Preußischen Militarismus, die nach der Niederschlagung der Pariser Kommune 1871 in Berlin aufgestellt wurde.

An allen Fronten des Zweiten Weltkrieges gegen Faschismus

Während des Zweiten Weltkrieges kämpften polnische Soldaten nahezu an jeder europäischen Front gegen die deutsche Wehrmacht. Ein Jahr vor Kriegsende ereichte die Zahl kämpfender Soldaten an den Fronten im Osten und Westen ca. 600.000 Soldatinnen und Soldaten. Allein im besetzten Polen kämpften 350.000 Soldaten der Armia Krajowa (AK), 120.000 Partisanen in den Bauern-Bataillonen (BCh) und 30.000 in der Armia Ludowa (AL). In mehr als 300 Untergrundorganisationen wurden insgesamt 25.000 Sabotageakte und 10.000 Partisanen-Überfälle durchgeführt. Fast 55.000 Polinnen und Polen kämpften in Untergrundorganisationen in anderen besetzten Ländern, allen voran in Frankreich, Griechenland, Jugoslawien und Belgien.

Die polnischen Untergrundkämpfer waren auch maßgeblich an der Zusammenstellung detaillierter Berichte über den in dem besetzten Polen von Deutschen organisierten Völkermord beteiligt. Der polnische Offizier Jan Karski schmuggelte sich im Sommer 1942 zwei Mal in das Warschauer Ghetto und anschließend in das Durchgangslager Izbica ein, von wo Juden in die Vernichtungslager Bełżec und Sobibór gebracht wurden. Sein Bericht vom 10. Dezember 1942 an die Vereinten Nationen unter dem Titel „The mass extermination of Jews in German occupied Poland“ stieß in den USA auf taube Ohren, obwohl Karski im Juli 1943 seinen Bericht US-Präsident Roosevelt persönlich vorstellte. Bereits vor ihm veröffentlichte die Sozialistin Natalia Zarembina im Untergrund die erste umfassende Dokumentation über das KZ Auschwitz unter dem Titel „Todes-Lager“, welches anschliessend im März 1944 in englischer Übersetzung in der Zeitschrift „Free World“ herausgebracht wurde. Es war auch das Verdienst des polnischen Nachrichtendienstes der Heimatarmee (AK), von dem im Februar 1943 die Raketenentwicklung der V2 in Peenemünde dekonspiriert wurde.

Die Opferbereitschaft bewiesen die polnischen Kämpferinnen und Kämpfer nicht nur an der Ostfront, sondern auch bei der Durchbrechung der Belagerung des libyschen Tobruk, in den Bergen von Monte Cassino, den Fjords Norwegens, der Normandie, der Operation Market Garden oder der Luftschlacht um England, wo die Jagdflieger-Staffel 303 die höchsten Abschussquoten deutscher Flugzeuge erreichte. Während jedoch z.B. die Bewohner des von der 1. polnischen Panzerdivision unter Gen. Maczek befreiten niederländischen Breda oder die zusammen mit belgischen Widerstandskämpfern befreite belgische Stadt Gent bis heute ihren polnischen Befreiern dankbar sind, ist der Einsatz polnischer Soldatinnen und Soldaten bei dem Sturm auf Berlin im Frühjahr 1945 in Vergessenheit geraten.

Insgesamt starben während des Zweiten Weltkriegs 6 Millionen polnische Staatsbürger, was 22% der Gesamtbevölkerung ausmacht. Bis Mai 1945 starben an der Ostfront 26.000 Soldaten, 33.000 wurden verwundet und 7000 gelten als verschollen. An der Westfront starben mehr als 7000 Soldaten und mehr als 10.000 wurden verwundet.